Dr. Radomsky Coaching

dvct zertifizierter Coach
Gesunder Mischwald

Die Vorgeschichte

Als wir 1991 Einwohner von Müggelheim wurden, erkundeten wir neugierig die Umgebung unseres neuen Zuhauses.

Die als Baugrundstücke ausgewiesenen Flächen waren noch dicht bewaldet, hier und da stand eine Datsche, in der sich früher glückliche DDR-Bürger im Sommer von ihrem Beitrag zur Erfüllung des Volkswirtschaftsplanes erholen konnten.

Unmittelbar am Rande der Siedlungsfläche trafen wir auf eine Schonung - den damals typischen Neubesatz einer Waldfläche mit Kiefernsetzlingen nach vorangegangenem Kahlschlag. Die kleinen vielleicht zwei- oder dreijährigen Pflanzen standen dicht an dicht im Reihenabstand von etwa einem Meter und waren knapp kniehoch.

Um das Schicksal dieses Waldstücks soll es in diesem Bericht gehen.

Die Entwicklung

Zehn Jahre lang wuchsen die kleinen Bäumchen wacker vor sich hin und kämpften um Licht und Wasser - vor allem gegeneinander. Seitens der Forstwirtschaft tat sich - nichts.

Klar: Die Verwaltung und die einschlägigen städtischen Betriebe wurden umstrukturiert, die neuen (westdeutschen) Bewirtschaftskriterien eingeführt, die Belegschaft fluktuierte. Dann - war das Geld alle. Einen Wald hegen und pflegen ist hart, besonders, wenn man erst in einigen Jahrzehnten auf Ertrag hoffen kann. Das Leben der Bäumchen war auch hart, aber sie wuchsen wacker immer höher und nahmen sich gegenseitig das Licht weg, so gut es ging. Viele blieben dabei auf der Strecke.

Parallel dazu waren allen Bedrohungen durch künftigen BER-Lärm zum Trotz in der Siedlung viele, viele Einfamilienhäuser entstanden, die unmittelbar zur Waldnähe angrenzen (selbst heute noch ist der Bauboom ungebrochen).

Im Jahre 2001 ließ der Berliner Senat die Forsten FSC-zertifizieren. (FSC: Forest Stewardship Council®).

Mit welchem Ziel?

Was bewirkt FSC in Deutschland?

https://www.fsc-deutschland.de/was-ist-fsc/

In deutschen Wäldern steht der FSC u.a. für eine Waldwirtschaft, die den Wald nicht übernutzt, die biologische Vielfalt fördert... Kahlschläge bei der regulären Holzernte sind untersagt und Pestizide dürfen nur eingesetzt werden, wenn dies gesetzlich gefordert wird. FSC setzt sich für die Mehrung natürlicher Mischwälder, die Schonung des Waldbodens, für den Schutz seltener Arten und Ökosysteme ein. Damit sind FSC-zertifizierte Wälder stabiler in einem sich wandelnden Klima und können als Ökosystem mehr COlangfristig binden.

Eine FSC-Zertifizierung hat außer Umweltwirksamkeit und politischem Marketing den schönen Effekt, dass Holz aus den derart nachhaltig bewirtschafteten Flächen zu höheren Preisen angeboten werden kann.

Aus der Zertifizierung ergeben sich allerdings auch bestimmte Pflichten, wozu unter anderen gehören:

DEUTSCHER FSC®-STANDARD

Dokument zum Download

Pkt. 6.5.1
Alle(zertifizierten)Forstbetriebe verfügen über Naturwaldentwicklungsflächen
bzw. Flächen mit besonderer Naturschutz- funktion im Gesamtumfang von mind. 10%.

Also wurde eine entsprechende Anzahl Flächen des Berliner Forstes zu Naturwald-Entwicklungsflächen ausgewiesen. Interessenten finden hier eine Karte darüber.

Diese Flächen werden nicht bewirtschaftet und für den Natur- und Artenschutz ausgewählt.

Auch die uns interessierende Fläche mit der Bezeichnung 438-a3 gehört bis heute dazu.

Im Jahre 2002 sah 438-a3 aus der Luft so aus:

Luftbild der Waldfläche

Vom Boden aus war es damals ein dunkles, undurchdringliches Dickicht eng beieinanderstehender dünner Kiefernstämmchen, die inzwischen in beachtliche Höhen gewachsen waren. Kein Laubbaum-Sämling hatte zwischen ihnen eine Chance, selbst, wenn er sich in die Fläche hinein gefunden hätte. Kein Pilzsammler konnte seinem Hobby nachgehen ohne zu riskieren, dass seine Kleidung danach in Fetzen herunterhing.

Dann wurde ein Schild aufgestellt.

Als wir das Schild das erste Mal sahen hatten wir zunächst den Verdacht, dass sich der Forstbetrieb hier hinter einem wohlfeilen Forschungsauftrag versteckt, um sein Nichtstun zu rechtfertigen.

Infotafel an Referenzfläche

Aktueller Zustand

Welche umwerfenden Erkenntnisse würden wohl die kommenden Jahrzehnte auf einer solchen verkorksten "Entwicklungs"fläche bringen?

Als Naturwissenschaftler akzeptieren wir natürlich die Legitimität einer Langzeitstudie.

Diese Studie läuft nun seit 20 Jahren. Langzeitig genug, um bahnbrechende Erkenntnisse zu gewinnen?

dürre Kiefernstämmchen

Der seiner "natürlichen Entwicklung überlassene" Wald auf besagter Fläche hat sich zu einem Dickicht engstehender Totholz-Stämmchen entwickelt, an deren oberen Enden ab und zu ein paar grüne Nadelpüschelchen ihr kümmerliches Dasein fristen. Einen großen Teil der Stämmchen haben bereits die Trockenheit und die Stürme der letzten Jahre gefällt, sie liegen nun kreuz und quer umher.

Dieses Material ist Zunder vom Feinsten, der nur auf den entscheidenden Funken wartet.

Diesen wird früher oder später ein Blitzeinschlag oder einer der Waldbesucher liefern, die aus Ignoranz oder unbeherrschbarer Nikotinsucht sich des Rauchens im Walde nicht enthalten können.

Oder die Entzündung wird vom heißen Kat eines der trotz Parkverbots und Warnstufe 4 im Wald abgestellten Kfz ausgehen. Manche Fahrer können offensichtlich vor Kraft so schlecht laufen, dass sie direkt im Wald parken müssen, anstatt die wenigen hundert Meter von einem ordentlichen Parkplatz mittels natürlicher Fortbewegung zu überwinden. Praktischer Weise werden dann gleich noch die Zufahrtswege für die Feuerwehr zugestellt.

Parkende PKW im Wald

Tätig werden!

In einem Gespräch mit der Revierförsterin äußerte diese zwar, ebenfalls besorgt zu sein, verwies aber auf übergeordnete Zuständigkeiten.

Sollte es zu einem Brand kommen, hätten die zahlreichen unmittelbaren Anwohner nur wenige Minuten Zeit, sich in Sicherheit zu bringen. Ihre Häuser wären vermutlich verloren. Dass dieses Szenario nicht weit hergeholt erscheint und wie schnell eine solche Lage entstehen kann, zeigen die jüngsten verheerenden Brände in Brandenburg und Sachsen.

Da die FSC-Zertifizierung die Bürgerbeteiligung explizit vorsieht, beschlossen wir zu testen, wie ernst die Berliner Verwaltung die Pflichten nimmt, die sie damit übernommen hat.

Am 28.07.2022 schrieben wir einen Brief - auf echtem Papier - an Frau Jarasch, die Senatorin für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz.

Darin bitten wir die Senatorin, zeitnah eine Lösung für das bewusste Waldstück anzustoßen, die dem Ziel eines nachhaltigen, an den Klimawandel angepassten Waldes dient und die Brandgefahr in Siedlungsrandnähe deutlich verringert.

UPDATE

Die Senatsverwaltung antwortet

Am 5.9. erreichte uns die Antwort in Form einer freundlichen Email von Herrn Funk von der Senatsverwaltung.

Er teilte uns nach länglicher Einlassung über die Bedeutung der Referenzierung mit, dass die "langwährende Beobachtungen... von großer Bedeutung, besonders im Vergleich von Naturwaldentwicklungsflächen aus verschiedensten Ausgangsbiotopen" seien. Im Gegensatz zu unserer Darstellung (siehe oben) "wachsen auch in diesem Kieferstangenholz bereits Laubbäume – gut zu erkennen auf Ihrem mitgeschickten Bild die kleinen Birken im Vordergrund und dahinter bereits höher gewachsene weitere Laubbäume (wahrscheinlich Spitzahorn oder Eiche)."

Nun ja. Ob der Herr Funk schon selbst vor Ort war, wissen wir nicht. Wo er diese Beobachtungen gemacht hat, ebenso wenig.

Immerhin teilt er unsere Sorge, dass Waldbrände den Wald schädigen können.

Doch: "Ihre Annahme, dass die Gefahr von Waldbränden durch das sogenannte Totholz steigt, kann ich jedoch nicht bestätigen...Es gibt neuere wissenschaftliche Aussagen die belegen, dass auch Totholz insgesamt zur Abpufferung des Wasserhaushaltes eines Waldbestandes beiträgt (weniger Wind in Bodennähe, stärkere Beschattung des Bodens, Schwammwirkung des sich zersetzenden Holzes usw.)...Um Ihnen die Sorge vor Waldbränden in Berlin etwas zu nehmen kann ich Ihnen berichten, dass sich in Berlin die jährliche Anzahl von Waldbränden auf einem niedrigen Niveau hält...Die durchschnittliche Ausdehnung der Waldbrände in Berlin ist ... mit rund 500 bis 1.500 m² immer relativ klein, was u.a. an der schnellen Alarmierungszeit und den kurzen Wegen der Feuerwehr liegt, aber auch an den gut ausgebauten Berliner Waldwegen sowie dem dichten Netz an Löschbrunnen im Wald."

Alles ist also gut. Bürger, fürchtet euch nicht!

Wir halten dagegen

Am 11.10. haben wir Herrn Funke geantwortet und unterstrichen, dass nach 21 Jahren "Beobachtung der ungestörten Entwicklung und natürlichen Dynamik" endlich konkrete Schlussfolgerungen für das kritische Waldstück gezogen werden sollten.

Außerdem entgegneten wir, dass:

1. ... die Schwammwirkung (und damit die Feuerresistenz) des Totholzes allenfalls in den nassen Monaten gegeben ist. In den trockenen heißen Monaten gleicht es Zunder und wirkt vermutlich wie Brandbeschleuniger.

2. ... auch kleinflächige Waldbrände bei der Nähe der Wohnhäuser schnell auf diese übergreifen können;

3. ... im dicht stehenden Stangenwald man weder Bodengrün noch junge einheimische Laubbäume findet - und das nach 21 Jahren als Referenzfläche. Naturnahe und klimafreundliche Waldentwicklung sieht anders aus.

4. ... es sich bei dem frischen Grün auf den Fotos des Stangenholzwaldes leider weder um Birken noch um Spitzahorn oder Eichen handelt, sondern um die Spätblühende Traubenkirsche (Prunus serotina). Dieser aus Amerika stammende invasive Neophyt bedroht heimische Wälder. Auch aus diesem Grund ist eine naturnahe Entwicklung dieser Referenzfläche nicht zu erwarten.

Wir laden zu einer Vor-Ort-Besichtigung im Beisein betroffener Nachbarn ein, nach der wir die Prüfung folgender Vorschlage anregen:

A) Ausgliederung der relativ kleinen Flurstücks 438-a3 aus den Berliner Referenzflächen
B) Dafür Umwidmung eines anderen, besser geeigneten Flurstücks als Naturentwicklungsfläche, um die 10 % Referenzflächen beizubehalten
C) Einleitung von Bewirtschaftsmaßnahmen auf 438-a3 durch den Forst, damit dort die Brandgefahr reduziert sowie eine klima- und artenschutzgerechte Waldentwicklung ermöglicht wird.

Bis heute (06.01.2023) ist noch keine Antwort eingegangen.

Klar zu verstehen. Die Senatsverwaltung muss mit aller Kraft die Wahlwiederholung sauber hinkriegen. Aber wir warten gerne noch ein wenig.

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Michael Radomsky


Michael betreut seit 1999 unsere Web-Seiten in Berlin. Er war als Physiker in Forschung und Entwicklung und als Key Account Manager für die Broadcast-Industrie tätig. Seit 2011 unterstützte er Christine als Coach und Trainer für Persönlichkeitsentwicklung.

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  1. Wenn man das liest, kann man nur mit dem Kopf schütteln. Das würde ich alles gern mal mit dem Förster/Vorsitzenden von Wald Verein, in dem ich bin, besprechen. Das sieht ja eher nach einem Borkenkäfer-Schutzgebiet aus ?
    Liebe Grüße von Monika

    1. Danke für deine Bemerkung, Monika. In der Tat hat sich die Situation, seitdem die Fotos gemacht wurden, sichtbar verschlimmert. Immer mehr der toten Bäumchen fallen um und liegen kreuz und quer. Das kommt dem Borkenkäfer sicher entgegen (falls der nicht mit allem zusammen irgendwann einem Waldbrannt zum Opfer fällt), aber auch der behäbigen Berliner Verwaltung. Zweifellos werden sich auch ohne deren Zutun auf dem Friedhof der Bäume irgendwann neue Pflanzen ansiedeln. Also doch: Naturwald-Entwicklungsfläche. Ich leiste still Abbitte.

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