Wer bestimmt eigentlich dein Leben? Wer oder was ist dafür verantwortlich, wie es dir geht? Du, die Menschen deiner Umgebung, glückliche oder unglückliche Umstände?
Unlängst las ich „Die Überflieger“ von Malcolm Gladwell [1]. In westlichen Kulturen ist modern, alle persönlichen Erfolge auf die eigene Intelligenz, Durchsetzungskraft
und Leistungen zurückzuführen. Doch Gladwell schaut hinter die Kulissen von Selfmademen wie Bill Gates und Steve Jobs. Was er in ihren Lebensläufen entdeckt?
Neben Cleverness und großem persönlichen Engagement spielen immer auch äußere Glücksumstände eine entscheidende Rolle. Welche? Die Kultur, in der eine erfolgreiche Person aufgewachsen ist, Mentoren, Unterstützer, das richtige Timing für die Geschäftsidee.
Dennoch halten wir diese Menschen für Überflieger, die ihren Erfolg ganz allein selbst erzeugt haben. Und sie sich selbst vermutlich auch.
Deine Kontrollüberzeugung
Bereits vor fünfzig Jahren entdeckte der Psychologe Julian B. Rotter:
Menschen unterscheiden sich in ihrer Überzeugung, wer die Verantwortung für ihre Erfolge und Mißgeschicke trägt.
Für dieses Persönlichkeitsmerkmal prägte er den etwas sperrigen Begriff „Locus de Control“ (Kontrollüberzeugung, wörtlich: Ort der Kontrolle). Dabei unterschied er zwei idealtypische Ausprägungen: die externale und die internale Kontrollüberzeugung.
Externale Kontrollüberzeugung
Menschen mit externaler Kontrollüberzeugung meinen, dass äußere Umstände ihre Erfolge wie ihre Niederlagen bewirken - ein glücklicher Zufall oder Pech, schlechte Laune der Prüfungskommission, Unterstützer.
Internale Kontrollüberzeugung
Dagegen glauben Menschen mit internaler Kontrollüberzeugung, dass sie selbst ihre Erfolge und Niederlagen herbeiführen. Sie bauen auf ihre Einstellungen, Talente und Handlungen, um ihr Leben zu kontrollieren.
Du ahnst es schon: Die beiden extremen Pole gibt es in dieser Reinform nicht. Du und ich bewegen uns irgendwo dazwischen, allerdings mit einer stabilen Tendenz in eine der beiden Richtungen. Eine Frage an dich:
Wo auf dieser Skala fühlst du dich zu Hause? Lass dein Bauchgefühl entscheiden!
Mein Bauchgefühl sagt, dass meine eigene Kontrollüberzeugung stark im roten Bereich liegt. Ich neige also zu einer internalen Kontrollüberzeugung. Weniger sperrig ausgedrückt, bin ich eine Internale - eine eher internale Person.
Vorteile und Risiken für Internale
Vorteile
Risiken
Vorteile und Risiken für Externale
Vorteile
Risiken
Wie die Psychologin Jule Specht in ihrem neuen Buch "Charakterfrage" zeigt, bevorzugen Internale und Externale unterschiedliche Bewältigungsstrategien für Probleme.
Während Internale versuchen, das Problem zu verstehen und zu lösen, neigen Externale zu einer emotionalen Umbewertung. [2]
Ein Beispiel? Stell dir vor, du hast dich auf einen interessanten Job beworben. Du wirst zum Vorstellungsgespräch eingeladen, das recht gut läuft. Doch zwei Wochen später hältst du einen Brief mit einer nichtssagende Absage in den Händen.
Mögliche Reaktionen eines Externalen:
Mögliche Reaktionen eines Internalen:
In vielen Lebenslagen profitieren wir von einer internalen Kontrollüberzeugung. Wir setzen uns dann ambitionierte Ziele, die wir oft erreichen. Außerdem gehört eine internale Kontrollüberzeugung zu den TOP-5 Persönlichkeitsmerkmalen, die mit einer hohen Lebenszufriedenheit verbunden sind.
Doch die Achillesferse der Internalen sind Lebensereignisse, die wir kaum oder gar nicht steuern können - eine schwere Krankheit oder der Verlust eines lieben Menschen. Hier sind Externale klar im Vorteil. Auch ihnen liegen solche Einbrüche schwer auf der Seele, doch sie akzeptieren und verarbeiten sie schneller.
Und was mache ich damit?
Da die Kontrollüberzeugung zu den weitgehend stabilen Persönlichkeitsmerkmalen gehört, sollten wir vor allem ihre jeweiligen Stärken nutzen. Doch falls uns unsere "Polung" in konkreten Situationen stört, können wir uns mit kleinen Schritten auf den Gegenpol zubewegen. Damit erweitern wir unsere Handlungsoptionen. Der spanische Psychologe Luis Muiño empfiehlt [3]:
So erweitern wir unsere Möglichkeiten, angemessen zu handeln.
Im Idealfall nutzen wir die externale oder internale Kontrollüberzeugung je nach Kontext. Kennst du Reinhold Niebuhrs Bitte an Gott (oder das Universum)? Er bringt dieses Ideal großartig auf den Punkt:
Gib mir die Gelassenheit,
Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Liebe Leserin, lieber Leser, wie sieht deine Kontrollüberzeugung aus und wie hat sie sich im Laufe der Jahre verändert? Und welche Einstellung könnte uns am besten helfen, durch unsere schnelllebige, unsichere und komplexe Welt zu navigieren? Vielleicht magst du ein paar Gedanken mit uns einem Kommentar teilen.
Lass es dir gut gehen!
Christine
QUELLEN:
[1] Malcolm Gladwell: Überflieger: Warum manche Menschen erfolgreich sind - und andere nicht
[2] Jule Specht: Charakterfrage: Wer wir sind und wie wir uns verändern
[3] Molo Cebrián, Mónica González, Luis Muiño: Podcast Entiende tu Mente: Locus de Control