Die modernste Form der menschlichen Armut ist das Keine-Zeit-Haben. Ernst Ferstl
Unlängst fiel mir ein in kastanienbraunes Leder gebundenes A5-Buch in die Hand – mein allerletzter Papier-Planer. „Time/system“, edel und raffiniert. Es stammt aus einer Zeit, als es weder PDAs von Palm noch Smartphones mit Business-Kalendern und Planungs-Apps gab. Heute möchte ich nicht mehr auf elektronische Helfer verzichten.
Doch das ist Geschmackssache. Nutzt Du einen traditionellen Papier-Planer? Oder bevorzugst Du eine Smartphone-App?
Sinn und Unsinn von Zeitmanagement
Damals war ich Fan diverser ausgeklügelter Zeitmanagement-Methoden und Planungstools. Bis ich eines Tages feststellte, dass ich mit meiner exzessiven Planung viel Zeit verbrauchte, um Zeit zu sparen.
Heute bin ich entspannter und leiste mir nur so viel Zeitmanagement und Planung wie nötig.
Sucht man bei Amazon nach dem Stichwort Zeitmanagement, findet man über 14.000 Bücher. Stell Dir vor, Du liest nur ein Prozent davon…
Zeitmanagement wurde seit den 1990er Jahren zum heißen Thema. Doch die Herausforderungen des Informationszeitalters machen es immer schwieriger, unsere Zeit sinnvoll einzusetzen.
Schnelllebige Arbeitswelten und Technologien, die ständige Erreichbarkeit ermöglichen, ein Überangebot von Informationen und Produkten und die Verlockungen sozialer Medien… All das konkurriert um unser wertvollstes Gut – Lebenszeit.

Wenn Zeitmanagement zum Drachen wird
Es ist halb drei, ich werfe einen Blick auf Todoist, meine Aufgabenverwaltung auf dem Android Smartphone. Neben Kleinkram liegen heute noch drei dicke Brocken an. Ein Trainings-Modul soll endlich fertig werden. Für eine Rezension sind noch 60 Seiten zu lesen. Und diesen Blogartikel will ich im Entwurf fertigstellen, damit er morgen pünktlich an unsere Leser geht.
Und schon krallt sich die Spannung in meinen Nacken, das Blut pocht in den Schläfen.
Manchmal erscheint mir meine Todo-Liste wie ein Drache mit vielen Köpfen, die mir heiß in den Nacken pusten. Dann wachsen die Aufgaben wie Drachenköpfe schneller nach als ich sie erledige. Schlimmer noch, wenn sich dann auch noch ein leiser Zweifel meldet, wofür denn gut ist, was ich da jeden Tag tue.
Wie Lothar Seiwert schreibt, sollte Zeitmanagement nicht dazu dienen, die Hetze in unserem Leben besser zu organisieren [2]. Weiser Spruch.
Wie wäre es, mein Zeitmanagement heute einfach mal zu ignorieren?
Bevor mich die Hektik packt
Bevor mich die Hektik vollends packt, stehe ich auf und recke mich. Ich erinnere mich an meinen Fixstern: Wohin will ich eigentlich? Wozu ist gut, was ich hier mache? Als es mir wieder einfällt, merke ich, dass ich doch ganz gut unterwegs bin. Das beruhigt.
Ich atme ein paar Mal tief ein und aus und schaue aus dem Fenster. Hoch oben zieht ein Flugzeug einen Kondensstreifen hinter sich her. Eine verhuschte Formation von Federwolken hellt mit zarten Pinselstrichen das Himmelsblau auf. Die Äste der Nordmann-Tanne, die vor vielen Jahren unser Weihnachtsbaum war, wiegen sich sacht im Wind.
In aller Ruhe bereite ich mir einen Café au lait zu. Der Kaffeeduft hebt meine Laune, der Milchschaum knistert verführerisch.
Schlechtes Gewissen? Nein. Zeiten der Muße und des Nichtstuns sind schließlich nicht nur Mittel zum Zweck, um erschöpfte Batterien wieder aufzuladen. Sie gehören zur Essenz des Lebens.
Und dann packe ich Mandeln, Zimt, zwei Eier und Puderzucker in einen Korb und fahre zu meinem Enkel, Zimtsterne backen. Das steht nicht auf meiner ToDo-Liste, aber es gibt heute nichts Wichtigeres.
Was ist für Dich heute das Allerwichtigste?
Quellen:
[1] Google Ngram Viewer
[2] Lothar Seiwert: Noch mehr Zeit für das Wesentliche: Zeitmanagement neu entdecken
Liebe Christine,
mir gefällt Dein Artikel auch sehr, Du schreibst so lebendig, dass ich den Kaffeeduft auch fast riechen kann und Zimtsterne sind fein, da hat Bea recht. Für mich ist Zeitmanagement, eher so etwas wie eine Negativ-Schablone: ich bemühe mich Ablenkungen zu vermeiden. Die Positiv-Schablone habe ich eigentlich immer recht gut parat: Ich weiss ziemlich genau, was ich schaffen möchte und wie ich es mir einteile. Wenn ich die Ablenkungen meide, schaffe ich neben den dringenden auch noch mehr von den wichtigen Dingen und das ist essentiell für mein Wohlbefinden. Danke für Deinen Artikel, liebe Christine!
Liebe Sabine,
wie schön, dass Du den Artikel magst. Ich finde interessant, dass Zeitmanagement für Dich eine Art Negativ-Schablone ist. Ist das so eine Art NOT-ToDo-Liste (wie kein Facebook zwischen 10 und 18 Uhr, keine Email vor 12, …)? Wunderbar, dass Du meist recht genau weißt, was Du schaffen möchtest und wie Du Dir das einteilst.
Einen schönen Abend und herzliche Grüße nach Zürich
Christine
Liebe Christine
Vielen Dank für den wundervollen Text. Ich habe mir gerade ein bisschen Zeit an diesem hektischen Freitag gegönnt. Ich mache mir jetzt auch einen Kaffee:)
Christine, ich wäre so happy, wenn du mir sagen könntest wie ein Zimtsterneteig zu machen ist. Kannst du mir da helfen?
Ganz lieber Gruss und einen sonnigen Tag
Bea
Liebe Bea,

ich freue mich sehr, dass Dir der Text gefällt. Toll, dass Du Dir heute auch ein bisschen Zeit gegönnt hast. Unten findest Du das Rezept. Ich stelle es hierher, weil es vielleicht noch mehr Interessenten gibt :-). Leider weiß ich nicht mehr, woher ich es habe.
Liebe Grüße und viel Spaß beim Zimtstern-Zaubern
Christine