Warum Persönlichkeitstests attraktiv, doch häufig irreführend sind
„Warum setzt Du eigentlich keine Persönlichkeitstests ein?“, fragte mich unlängst ein Seminarteilnehmer. Gute Frage. Reizt es Dich, die Eigenschaften Deiner Persönlichkeit kennen zu lernen?
Wie Deine Persönlichkeit getestet wird
Die ersten Persönlichkeitstests entstanden in der klinischen Psychologie. Heute sind sie auch in Personalentwicklung und Management-Trainings verbreitet.
Bei psychometrischen Tests erhältst Du einen Fragebogen für eine Selbsteinschätzung. Die Fragen beantwortest Du an Hand einer quantitativen Skala. Der Computer ermittelt Deine Persönlichkeitsmerkmale im Vergleich zu einer „Normalstichprobe“ anderer Menschen. Das ist einfach und sieht wissenschaftlich aus.
Je nach Modell bestimmen Persönlichkeitstests unterschiedliche Eigenschaften Deiner Persönlichkeit. Hier nur zwei Beispiele: der DISG und die Big-Five.
Der DISG misst, wie stark Dominanz, Initative, Stetigkeit, Gewissenhaftigkeit in Dir ausgeprägt sind.
Der Fünf-Faktoren-Test (Big-Five) ermittelt Extraversion, Offenheit für neue Erfahrungen, Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit und Neurotizismus.
Wie Du siehst, stimmen die Begriffe beider Tests nur teilweise überein. Das sieht recht subjektiv aus, oder? Und es gibt noch eine Vielzahl anderer Tests.
Warum Du einem Persönlichkeitstest nicht unbedingt glauben solltest
Die Zeitschriften der Regenbogenpresse lieben projektive Psycho-Tests. Zum Beispiel schließen sie aus der Art, wie Du einen Baum skizzierst, auf Deine Persönlichkeit. Malst Du den Baum krumm oder gerade? Mit starken oder schwachen Wurzeln? Mit ausgedehnter oder spärlicher Krone?
Sicher bist Du bei dieser Art Tests skeptisch. Doch wusstest Du schon, dass unseriöse Tests Dir auch bei Einstellungsgesprächen oder Trainings zur Persönlichkeitsentwicklung begegnen können?
Woran erkennst Du einen seriösen, wissenschaftlich fundierten Test? Er ist
- objektiv (unabhängig vom Auswerter)
- statistisch stichhaltig („valide“ – misst was er zu messen vorgibt) und
- zuverlässig („reliable“ – ergibt gleiche Ergebnisse, wenn er wiederholt wird)
So gelten zum Beispiel der Fünf-Faktoren-Test (Big Five) und die daraus abgeleiteten NEO-Tests als wissenschaftlich. Ebenso das BPI (Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung). Mit ihm werden Berufliche Orientierung, Arbeitsverhalten, soziale Kompetenz und Psychische Konstitution von Berufstätigen ermittelt.
Kennst Du den Myers-Briggs-Typenindikator? Dieser Test ordnet Menschen einen von 16 Typen zu. Sein „Großvater“ ist der Schweizer Psychiater C.G. Jung, der seine Patienten in Kategorien wie „Der Lehrer“, „Der Kommandeur“, „Der Heiler“ einteilte. Dieser Test ist längst überholt, ebenso wie der oben erwähnte DISG. Dennoch kann er Dir in Einstellungs-Verfahren oder Management-Trainings begegnen.
Was kannst Du also tun, wenn Du zu einem Persönlichkeitstest aufgefordert wirst? Ganz einfach – frag doch Wikipedia, ob dieser Test wissenschaftlich untermauert oder eher unseriös ist. Doch auch seriöse Tests solltest Du mit Vorsicht genießen..
Warum auch seriöse Tests Dich hindern können, Deine Persönlichkeit zu entwickeln
Nehmen wir an, Du hast einen Big-Five Test gemacht. Vielleicht sieht Dein Ergebnis so aus. Wenn Du genau hinschaust, siehst Du, dass das negativ klingende Merkmal „Neurotizität“ in „Emotionalität“ umbenannt wurde. Doch was genau bedeutet hier ein geringer Wert? Bist Du ein emotionsloser Dickhäuter oder eine besonders stabile Persönlichkeit?
Dennoch lieben viele Menschen solche Aussagen, weil sie Orientierung bieten. Gut zu wissen: Du bist also extrovertiert oder eher introvertiert, emotional/instabil oder eher wenig emotional/stabil etc. Jedoch – was ist der Nachteil solcher Zuschreibungen?
Eine Persönlichkeit ist nicht nur komplex, sondern auch entwicklungsfähig. Dagegen liefern Tests nur ein statisches Bild Deiner Persönlichkeit. Und genau deshalb solltest Du die Resultate nicht blind glauben. Denn wenn Du z.B. an Dein Etikett „emotionsarm/stabil“ glaubst, versperrst Du Dir den Weg zur Veränderung. Du bist halt so. Jedoch – wie wäre es, ab und zu mehr Emotion zu wagen?
Vielleicht findest Du einen Test wie Big-5 sinnvoll für eine erste Orientierung über Dein bevorzugtes Denken und Verhalten. Doch lass Dich nicht in Schubladen stecken! Experimentiere einfach mal mit Verhalten, das von Deinen Test-Ergebnissen abweicht. Ich bin gespannt, was Du dabei erlebst.
Hast Du schon mal einen Persönlichkeitstest gemacht? Und in wie weit glaubst Du seine Resultate?
Liebe Bea, vielen Dank für Deinen Kommentar. Ja – mit Tests wird eine Menge Geld verdient, wobei der Nutzen für den Klienten schon mal auf der Strecke bleiben kann.
Graves value habe ich erst mal gegoogelt – wieder was gelernt. Der Test erinnert mich an ‘Spiral Dynamics’ von Beck and Cowan . Die beiden haben die Wertesysteme noch mit Farben codiert. Ziemlich angesagt bei Führungskräften – warum auch nicht. Wenn man – wie Du – die Ergebnisse als Orientierung versteht und nicht als absolute Wahrheit.
Liebe Christine
Recht hast du, guter Blogartikel und sehr schön dargestellt.
Ich kenne so viele, die Tests machen und natürlich viel Geld damit verdienen. 🙂
Ich mache manchmal nur einen, der heisst ‚graves value‘. Da werden die Werte angeschaut, den find ich akzeptabel.
Sonniger Gruss aus der Schweiz und eine gute Zeit wünsche ich dir
Bea