Dr. Radomsky Coaching

dvct zertifizierter Coach
Unser Leser Hugo hat ein Thema aufgeworfen, das Dich vielleicht auch interessiert:

„Ich bin Ende fünfzig und merke, dass ich Multitasking immer weniger mag. Das haben die jüngeren Kollegen besser drauf. Habt ihr eine Idee, wie ich damit umgehe?“

Multitasking – die (quasi) gleichzeitige Bearbeitung verschiedener Aufgaben – wurde noch vor wenigen Jahren als erstrebenswert angesehen. Inzwischen belegen zahlreiche Studien negative Effekte von Multitasking.

Das hat wohl bereits Einstein geahnt, wie dieses ihm zugesprochene Zitat zeigt:

Jeder Mann, der sicher sein Auto führen kann, während er eine schöne Frau küsst, gibt dem Kuss einfach nicht die Aufmerksamkeit, die er verdient.

(Analoges gilt für autofahrende Frauen :-))

Doch schauen wir zunächst, woher „Multitasking“ kommt.

Multitasking – für Menschen oder Computer?

Der Begriff stammt ursprünglich aus der Informationstechnologie. Multitasking ist „die Fähigkeit eines Betriebssystems, mehrere Aufgaben (quasi-)nebenläufig auszuführen“ (Wikipedia).

Vor dem digitalen Zeitalter war Multitasking eine Ausnahme. Doch heute fluten riesige Datenmengen stündlich unser Hirn. Die Firmen beschleunigen ihre Arbeitsabläufe immer mehr, um mit der globalen Konkurrenz mitzuhalten. Vernetzte Computer ermöglichen uns, jederzeit auf diverse Informationen und Applikationen zuzugreifen. Wenn uns das noch nicht genügt, greifen wir nebenbei zu unserem Smartphone und checken Twitter, Facebook oder WhatsApp.

Doch unser Gehirn ist kein Computer, dessen CPU digitale Daten aus Sensorschaltkreisen abgreift, in Speicherschaltkreisen ablegt und entsprechend Programmierung verarbeitet. Klaglos und ohne Überlastung.

Selbstführung: Kein Multitasking

Folgen von Multitasking

Eigentlich wollen wir mit Multitasking Zeit sparen. Doch das gelingt nur, wenn wir neben der Hauptaufgabe eine simple Nebenaufgabe bearbeiten. Beispiel: Wir schreiben eine Email oder entwerfen ein Grafik und hören nebenbei Musik.

Zwei oder mehr nicht-triviale Aufgaben gleichzeitig überfordern unser Gehirn. Pendelt unsere Aufmerksamkeit ständig zwischen verschiedenen Aufgaben, belasten wir die „Executive Functions“ (eine Art Steuerzentrum unseres Gehirns) unnötig.

Die Folgen? Mit Multitasking

  • brauchen wir länger, als wenn wir beide Aufgaben nacheinander abarbeiten
  • machen wir mehr Fehler

Wird Multitasking unsere Standard-Arbeitsweise, wächst die Konzentration von Stresshormonen, der Blutdruck steigt, die Konzentration sinkt – von der Arbeitsfreude nicht zu reden.

Individuelle und altersabhängige Toleranz von Multitasking

Wenn auch Multitasking generell schadet, unterscheiden sich die negativen Auswirkungen individuell  stark. Manche Menschen tolerieren parallele Aufgaben und ständige Unterbrechungen besser als andere.

Dass Frauen leichter „multitasken“ als Männer, soll übrigens eine Legende sein.

Ein wichtiger Faktor ist nicht nur die individuelle Disposition, sondern auch das Alter. Hugo hat an sich beobachtet, dass ihm Multitasking schwerer fällt als jüngeren Kollegen.

Mehrere Studien bestätigen das. Die Multitasking-Fähigkeit wie auch die fluide Intelligenz (Kreativität) nehmen mit zunehmendem Alter ab [1]. Auf der anderen Seite wurde nachgewiesen, dass die kristalline Intelligenz (Erfahrungswissen) mit den Jahren wächst.

Diese spannende Dynamik widerspricht einem Glaubenssatz, an den viele lebenserfahrene Menschen wie auch ihre Führungskräfte und HR-Manager glauben:

„Ältere Mitarbeiter bauen zwangsläufig kognitiv ab“. Diesen Mythos werde ich in einem späteren Blog-Artikel widerlegen.

Wie können wir mit Multitasking umgehen?

Zurück zu Hugos Frage: „Wie kann ich damit umgehen, dass mir Multitasking schwerer fällt als früher?“. Ich schlage folgende Schritte vor:

  1. Bedürfnis klären: Werde Dir Deines Bedürfnisses nach „Mono-Tasking“ und Fokus bewusst.
  2. Bedürfnis kommunizieren: Wenn nötig, sprich mit Deinem Chef und den Mitarbeitern darüber. Sicher ist auch ihnen Effektivität und Qualität wichtig, die nachweislich durch Multitasking beeinträchtigt werden.
  3. Kognitive Hygiene: Verringere Parallelarbeiten und Unterbrechungen, die in Deiner Hand liegen. Beispiel: Statt die Emails stündlich zu checken, reichen vielleicht auch zwei Mal am Tag.
  4. Achtsamkeit: Mehr Gelassenheit gewinnst du durch regelmäßige Achtsamkeits-Übungen. Und nein, Du brauchst keine gefühlte Ewigkeit im Lotussitz zu sitzen. Wenn Du magst, setz die Ohrhörer auf und gönn Dir 5 Minuten Auszeit mit unserer geführten Fantasiereise [2]. Alternativ kannst Du Dich von einer Kurz-Meditation mit einer Smartphone-App erfrischen lassen. Eine deutschsprachige App, die ich selbst verwende, ist 7Mind [3].

Doch der einzelne Mitarbeiter kann das Problem nicht allein entschärfen. Führungskräfte und Personalentwickler tun gut daran, wenn sie Arbeitsbedingungen schaffen, die Fokus und Konzentration unterstützen – nicht nur für ihre älteren Mitarbeiter.

Damit schenken sie den Mitarbeitern Wertschätzung und fördern Gesundheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz. Auf der anderen Seite begünstigen sie damit Produktivität und Qualität.

Welche Erfahrungen hast Du mit Multitasking am Arbeitsplatz gemacht? Welche Anregungen für mehr Fokus und Konzentration kannst Du empfehlen? Ich freue mich, wenn Du sie in einem Kommentar mit uns teilst.

Quellen:
[1] Rogier A. Kievit et al: Distinct aspects of frontal lobe structure mediate age-related differences in fluid intelligence and multitasking
[2] SinnCoach: 5 Minuten Auszeit: Fantasiereise in den Sommerwald
[3] 7Mind: Bring Achtsamkeit in Deinen Alltag

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Christine Radomsky


Christine hat Physik studiert, später Computerprogramme für blitzschnelle Züge entwickelt und schließlich als Coach Menschen dabei unterstützt, berufliche Veränderungen zu meistern.

Seit sie Oma ist, engagiert sie sich immer mehr für eine lebenswerte Zukunft unserer Kinder und Enkel auf dieser schönen, fragilen Erde.

Ihr Motto: Unterwegs von Ohnmacht zu AKTIVER HOFFNUNG. Für eine nachhaltige, gerechte und lebenswerte Welt.

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  1. Liebe Christine, ich arbeite im Homeoffice und bei mir ist Multitasking nur Krisenmodus, wenn mal wirklich mehrere Sachen gleichzeitig brennen. Wenn das nicht der Fall ist, nenne ich Multitasking abdriften und es ist dann für mich ein Zeichen, dass ich müde bin oder Bewegung bzw. frische Luft brauche. Ansonsten bin ich auch ganz für „eins nach dem anderen“, wobei ich mir meistens ein grosse Sache für den Tag vornehme und dann gerne mal in den Pausen eine Arbeit aus der Kategorie, „muss auch noch gemacht werden, geht fast automatisch, ist eng begrenzt und fast wie Erholung und trägt zu meinem inneren Wohlbefinden bei, wenns gemacht ist“ einschiebe.

    1. Liebe Sabine,
      interessant, dass Du Multitasking im normalen Arbeitsmodus als Abdriften erkennst und merkst, was Du gerade brauchst. „Eine große Sache pro Tag und das andere nebenbei“ funktioniert für mich auch wunderbar :-).
      Vielen Dank für Deine Erfahrungen und liebe Grüße
      Christine

  2. Der wichtigste Satz, den ich auch zu meinem Chef öfter gesagt habe:
    „Aaaains nach dem andern“.
    Ich habe Jahrzehnte im Computerbereich gearbeitet und muss sagen: Wie sich die Bilder gleichen. Als die Computer nur einen Prozessor hatten (wie das Gehirn), wurde Multitasking auch nur realisiert, indem jeder Aufgabe abwechselnd der Prozessor zugeteilt wurde. Und die Umschaltung kostet Zeit. Das ist nur sinnvoll, wenn entweder die gerade laufende Aufgabe sowieso unterbrochen werden muss (z.B. auf eine Eingabe/Information warten), oder die kurzen Aufgaben ZU lange aufgehalten würden.
    D.H.: Besser längere Zeit an derselben Aufgabe arbeiten, damit die Umstellungen möglichst selten stattfinden.
    Z.B. den GANZEN Vormittag an der Kalkulation arbeiten, und nach der Mittagspause, wegen der man ja ohnehin zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit unterbrechen muss, erst mal ALLE Mails checken, bevor es mit der Kalkulation weiter geht.

    1. Hallo Peter,
      Dein Motto „Aaaains nach dem andern“ ist sehr praktisch. Erst einen längeren Zeitblock Kalkulation oder was auch immer, dann einen Block für alle Emails – so mache ich das auch am liebsten. Als Freiberuflerin kann ich das jetzt auch – ebenso wie Du. Wer in einem Unternehmen arbeitet, hat es schwerer, weil die „Unterbrechungstrigger“ von vielen Seiten kommen. Gut, wenn man einen Chef hat, der ein Ohr für das Thema hat und versteht, wie produktiv und gesund Fokussierung sein kann.
      Viele Grüße
      Christine

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