Unlängst traf ich Verena, eine frühere Nachbarin. Mit hängenden Schultern lief sie über den Schlossplatz und blickte zu Boden. Als sie aufschaute, sah ich ihr bleiches Gesicht mit den dunklen Augenringen. Was hatte Verena in wenigen Monaten so verändert?
In diesem Beitrag liest du Verenas Geschichte. Außerdem schenke ich dir ein Selbstcoaching-Tool, mit dem du gestärkt durch Krisen navigierst.
Im Eckcafé duften heiße Schokolade und Espresso um die Wette. Verena und ich plaudern ein wenig über unsere Familien und den letzten Sturm, der den Fernverkehr fast zum Stillstand gebracht hatte.
Dann seufzt sie und erzählt.
Arbeitslos - ein Schock. Wie finde ich einen neuen Job?
Verena: Ich bin arbeitslos, schon seit acht Monaten. Die Firma hat umstrukturiert und ein Drittel der Belegschaft entlassen. Zuerst war es der totale Schock. Du weißt ja, wie ich an meinem Job und den Kollegen hing. Aber dann dachte ich, dass ich schon wieder etwas finden würde. Ich habe schließlich Erfahrung und mich all die Jahre weitergebildet.
Über sechzig Bewerbungen habe ich schon geschrieben. Mit jeder Absage wird es schlimmer. Manchmal bekomme ich noch nicht mal eine Antwort - das zieht mich total runter. Und das Arbeitsamt … Wenn ich dort auf meinen Termin warte wie eine Bittstellerin, merke ich, wie der Frust in mir hochkocht.
Und wenn ich mit der freien Zeit wenigstens etwas Vernünftiges anstellen würde. Mal wieder ins Museum gehen, Bücher lesen. Doch ich mache es nicht, ich kann mich einfach nicht aufraffen...
Mit dem Job verheiratet? Warum das gefährlich ist
Ich nicke und erinnere mich.
Seit ihre Tochter eine eigene Wohnung hatte, kam Verena selten vor neunzehn Uhr nach Hause. Erzählte sie von ihrer Arbeit, leuchteten ihre Augen. Seit 15 Jahren arbeitete sie bei einer bekannten Möbelfirma; zuletzt leitete sie ein kleines Team im Kundendienst. Ihr Mann sagte manchmal scherzhaft, seine Frau sei mit ihrem Job verheiratet.
Doch nun? Die angeschlagene Firma hatte ihrer erfahrenen Mitarbeiterin den Einsatz nicht gedankt.
Verenas Selbstbewusstsein bröckelt. In einer Abwärtspirale aus Misserfolgen, Selbstzweifeln und Niedergeschlagenheit rutscht sie immer tiefer.
Das Schlimmste: Verena hat nicht nur ihren Job verloren, sondern auch einen wesentlichen Bestandteil ihrer Identität.
5 Säulen der Identität. Die Balance macht's
Die Identität ist die einzigartige Persönlichkeitsstruktur eines Menschen.
Einerseits enthält die Identität stabile Elemente. Dazu gehören die Werte, die uns persönlich am wichtigsten sind wie z.B. Sicherheit, Zugehörigkeit, Harmonie, Macht...
Andererseits formen wir unsere Identität auch selbst – ein Leben lang. Der deutsche Psychologe H.G. Petzold hat das Modell der 5 Säulen der Identität entworfen. Es hilft uns gerade in Krisen, unsere Persönlichkeit zu stabilisieren.
Damit es uns gut geht, sollte sich unser Haus auf alle fünf Säulen abstützen. Sie müssen jedoch nicht alle gleich stark sein; außerdem ändert sich ihr Gewicht im Laufe des Lebens.
Bei vielen Menschen nimmt die Säule Arbeit und Leistung einen großen Stellenwert ein. Denn in unserer Gesellschaft identifizieren sich viele stark mit ihrer Berufsrolle. Doch wir können diese Säule auch mit anderen Tätigkeitsformen wie Familienarbeit, Ehrenamt, Lernen und Hobbys stärken.
Viele Menschen beachten andere Säulen zu wenig. Bei manchen kommen Partnerschaft und Freunde zu kurz, bei anderen Körper und Seele oder geistige Interessen.
Das kann über lange Jahre gut gehen, rächt sich jedoch, wenn die Säule Arbeit wegbricht. Dann gerät die persönliche Identität ins Wanken; das Selbstwertgefühl sinkt in den Keller.
Arbeitslosigkeit oder auch der Einstieg in die nachberufliche Phase werden dann zur bedrohlichen Krise, die nachts nicht schlafen lässt.
Wie verlasse ich die Abwärtsspirale?
Wie finden Betroffene wie Verena den Ausstieg aus der Abwärtsspirale?
Ein hilfreicher Schritt könnte sein, ihre persönliche Identität zu klären – am besten in einem Tagebuch oder im Gespräch. Was bringt das?
- Wer weiß, welche Säulen gerade schwächeln, kann sie gezielt ausbauen
- Wer seine Werte kennt, hat einen Kompass für die Arbeitssuche
- Wer allein oder mit Partner und Freundin nicht mehr weiterkommt, findet professionelle Unterstützung bei einem Coach für berufliche Neuorientierung
Liebe Leserin, lieber Leser - auch wenn bei dir gerade keine berufliche Neuorientierung ansteht, lade ich dich zu dieser Selbstcoaching-Übung ein.
Hier findest du den Selbst-Check "5 Säulen der Identität" zum Download.
Bist du neugierig, wie deine Säulen aussehen? Wie stark sind sie, welche möchtest du vielleicht ausbauen?
Alles Gute für dich
Christine