Dr. Radomsky Coaching

dvct zertifizierter Coach

In Teil 3 unserer Serie „Frust im Job“ ging es um Job Crafting: Wie können Angestellte wichtige Aspekte ihres Jobs selbst gestalten, um selbstbestimmter und zufriedener zu arbeiten [1].

Blog-Leserin Juliane wirft in einem Kommentar ein Thema auf, das vielleicht auch Dich bewegt: toxische Unternehmen.

Was mache ich, wenn Führungskräfte und Unternehmen gar kein Interesse daran haben, dass sich Mitarbeiter mit ihren Ideen einbringen? Befehlskultur, Suche nach Schuldigen, Unehrlichkeit, Unfehlbarkeits-Anspruch des Chefs… So eine toxische Organisation erlebe ich nun schon zum zweiten Mal. Da hilft Job Crafting nicht mehr.

Juliane

In diesem Beitrag klären wir, woran Du erkennst, ob Du in einem toxischen Unternehmen arbeitest, wie es sich auf die Menschen in ihm auswirkt und was Du tun kannst.

Was kennzeichnet „toxische Organisationen“?

Toxische oder dysfunktionale Organisationen weisen zwei typische Merkmale auf, die sie von gesünderen Organisationen unterscheiden [2]:

  1. Schlechte Entscheidungsfindung und schwache Performance über einen längeren Zeitraum
  2. Massive Unzufriedenheit und hoher Dauerstress, die von destruktiven menschlichen Beziehungen hervorgerufen werden

Weil Menschen an solchen Arbeitsplätzen oft Angst spüren, sind sie meist mit „Überleben“ beschäftigt. Sie versuchen, es ihrer Führungskraft in allem recht zu machen, halten ihre Meinung zurück und sichern sich ab. Ihnen bleibt wenig Energie und Vertrauen, mit anderen gemeinsam kreative Lösungen zu finden.

Kein Wunder, dass sie sich innerlich immer mehr von ihrem Unternehmen distanzieren. Die Folgen sind für beide Seiten verheerend: Die Gesundheit der Beschäftigten leidet, ebenso die Fähigkeit des Unternehmens, Werte für seine Kunden zu schaffen. Kommt Dir das bekannt vor?

Wie entstehen toxische Organisationen?

Toxische Organisationen gedeihen vor allem unter folgenden Bedingungen:

Toxisches Unternehmen: Narzisstische Chefs sehen Mitarbeiter als Marionetten
  • Führungskräfte mit stark narzisstischen Tendenzen und Unfehlbarkeits-Anspruch
  • Top-down Kommunikation vorherrschend
  • Silo-Strukturen und Kontroll- und Kommandoprozesse
  • Fokus auf Einzelleistung, ausgeprägte Konkurrenz
  • Mangelnde Transparenz und Fairness
  • Bei Fehlschlägen werden Sündenböcke gesucht anstatt daraus zu lernen

Toxische Organisationskulturen finden sich nicht nur in Konzernen oder mittelständischen Unternehmen, sondern auch in staatlichen Instutitionen und im Non-Profit-Bereich. In den letzten Jahren sind stark hierarchische Unternehmen zunehmend in die Kritik geraten. Eine ausgeprägte Hierarchie bedingt zwar noch keine toxische Unternehmenskultur, schafft jedoch einen förderlichen Nährboden.

Toxische Unternehmen: Von Gegengift und guten Feen

Toxisch und gesund bezeichnen die beiden Extreme der Unternehmenskultur. Dazwischen liegt ein Kontinuum.

Wie gesund oder krank(machend) siehst Du die Kultur in Deinem Unternehmen? An welcher Stelle der Farbskala machst Du mental ein Kreuz?

Wenigen Mitarbeitern und Teams gelingt es, in toxischen Unternehmenskulturen längere Zeit klar zu kommen, ohne abgestumpft, zynisch oder krank zu werden.

Einzelne Führungskräfte, Fachexperten oder HR-Verantwortliche mit hoher Empathie und Integrität wirken als eine Art Neutralisator („toxin handler“). Sie hören verzweifelten Kollegen zu, bieten Rat an, sprechen Probleme offen an und versuchen zwischen Team und Führungsetage zu vermitteln. [3]

Wie die gute Fee im Märchen von Dornröschen können sie den Fluch zwar nicht brechen, aber mildern.

Eine ungesunde Unternehmenskultur verletzt nicht jeden Mitarbeiter gleichermaßen. Während einzelne das Ohr und Wohlwollen ihrer narzisstischen Führungskraft haben, werden andere unfair behandelt oder sind sogar vom „Bossing“ (Mobbing durch den Vorgesetzten) betroffen.

Jede Führungskraft und jeder Mitarbeiter sollte sich fragen, in wie weit sie die Situation akzeptieren oder im eigenen Einflussbereich entspannen kann.

Raus aus dem toxischen Unternehmen in 4 Schritten

1. Entscheiden: Bleiben oder gehen

Die entscheidende Frage stellt @ardalanai auf twitter:

Toxisches Unternehmen: Welcher Mensch will ich sein?

Wenn alles in Dir „Nein“ ruft, ist es Zeit nach Alternativen zu suchen. Eine sofortige Kündigung ist selten sinnvoll. Denn bisher weißt Du nur, was Du nicht mehr willst. Außerdem bereitest Du Deinen Neustart entspannter vor, wenn Dich keine akuten Existenzsorgen drücken.

Die Wochen und Monate der Suche fallen Dir leichter, wenn Du Unterstützer findest und Dir gönnst, was Deiner Seele und Deinem Körper gut tut. Vielleicht einen regelmäßigen Mittagsspaziergang mit Kollegen, Sport, entspannende Atemübungen oder Büro-Comics von Dilbert [7]?

2. Was ist mir am Arbeitsplatz am wichtigsten?

Zwar brauchen wir alle Zugehörigkeit und Herausforderung, doch mit unterschiedlicher Intensität. Vielen Menschen ist vor allem Teamwork sehr wichtig, andere schätzen, wenn sie knifflige Projekte steuern, Menschen unterstützen oder kreativ sein können. Manche wünschen sich flexible Arbeitszeiten oder Home Office, andere fühlen sich im Großraumbüro wohl.

Mir sind zum Beispiel Selbstbestimmung und Kooperation sehr wichtig, gepaart mit der Möglichkeit, ständig Neues zu lernen und auszuprobieren.

Was suchst DU an Deinem neuen Arbeitsplatz?

3. Wie sieht mein Kompetenzprofil aus? Wie mein "Spaßprofil"?

Gerade wenn Du bereits jahrelang in einer bestimmten Firma arbeitest, hast Du Dir vielleicht lange nicht mehr klargemacht, was Du gut kannst und was davon Dir Spaß macht. Manche Stärken bemerken wir gar nicht, weil wir meinen, sie seien selbstverständlich.

Wie wäre es mit einem Brainstorming mit Dir selbst? Dabei schreibst Du unzensiert auf, was Dir in den Sinn kommt – fachliche Fähigkeiten und Fertigkeiten ebenso wie soziale:

Wofür bin ich Experte? Welches sind meine Kompetenzen und Stärken, die ich gern am neuen Arbeitsplatz einsetzen möchte?

Anschließend könntest Du einen vertrauten Menschen fragen, wo er Deine Stärken sieht. Vielleicht einen guten Kollegen, eine Freundin oder Deinen Lieblingsmenschen – die Antwort könnte Dich überraschen.

4. Den Neustart vorbereiten

Welche Tätigkeit wünschst Du Dir? Bei welcher Art Organisation willst Du Dich bewerben - traditioneller Konzern, Mittelstand, Start-up, NGO, Schule, Behörde? Reizt Dich vielleicht eine Selbständigkeit? Falls ja, empfehle ich Dir den Blogartikel meiner Kollegin Wiebke Rimasch [5].

Welches Know-How willst Du vielleicht für Deinen Traumjob bereits aufbauen, während Du noch in der alten Firma arbeitest? Online-Kurse wie auf openHPI [6] oder den amerikanischen Plattformen edX und Coursera bieten praxistaugliches Know-how auf Hochschulniveau. Damit erwirbst Du flexibel und berufsbegleitend wertvolles Wissen zur Digitalisierung und anderen Trends.

Und dann? Lebenslauf aktualisieren, Jobbörsen durchforsten, Bewerbungen schreiben, vielleicht ein elektronisches Portfolio entwerfen, Profil auf Xing oder LinkedIn ausbauen, vernetzen...

Ja, das macht Mühe und dauert eventuell Monate. Doch hast Du Deine Bedürfnisse, Stärken und Kompetenzen geklärt, besitzt Du einen inneren Leuchtturm, der Dir den Weg weist.

In Bewerbungsgesprächen wirst Du souverän auftreten und den neuen Arbeitgeber nach Dingen fragen, die Dir wichtig sind. Damit Du in einer gesunden Organisation gute Arbeit leisten kannst, die Dich erfüllt.

Liebe Leserin, lieber Leser, was hast Du in gesunden und kranken Unternehmen erlebt? Ich lade Dich herzlich ein, Deine Erfahrungen und Gedanken in einem Kommentar mit uns zu teilen.

Quellen:

[1] Job Crafting: Schnitze den Job, den Du magst (Teil 3 der Serie Frust im Job)

[2] World of Work: What is a Toxic Organization?

[3] Stéphanie Carpentier: Résilience au travail: les "toxic handlers", ces sauveurs de'l organisation

[4] Gilbert, Jacqueline A., et al. " Toxic versus cooperative behaviors at work: the role of organizational culture and leadership in creating community-centered organizations." International Journal of Leadership Studies 7.1 (2012) 29-47

[5] Wiebke Rimasch: Passt eine Selbständigkeit zu dir?

[6] openHPI - Internet-Bildungsplattform des Potsdamer Hasso-Plattner-Instituts

[7] Dilbert by Scott Adams: Büro-Comics nicht nur für Ingenieure

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Christine Radomsky


Christine hat Physik studiert, später Computerprogramme für blitzschnelle Züge entwickelt und schließlich als Coach Menschen dabei unterstützt, berufliche Veränderungen zu meistern.

Seit sie Oma ist, engagiert sie sich immer mehr für eine lebenswerte Zukunft unserer Kinder und Enkel auf dieser schönen, fragilen Erde.

Ihr Motto: Unterwegs von Ohnmacht zu AKTIVER HOFFNUNG. Für eine nachhaltige, gerechte und lebenswerte Welt.

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  1. Liebe Christine, in diesem Beitrag wird sehr deutlich aufgezeigt, was man tun kann, wenn es Zeit ist zu gehen. Aus meiner Erfahrung genau die Schritte, die es für einen Wechsel braucht. Gut für sich sorgen, sich mit anderen Menschen umgeben, die gut tun, sich auf seine Stärken besinnen (sehr wichtig) und vor allem: Geduld. Von der Erkenntnis bis zur Veränderung braucht es Zeit – auch wenn das nicht immer einfach ist. Dein Beitrag kann sicher vielen Menschen Mut machen, die sich in einem toxischen Unternehmen befinden.
    Ich bin diesen Prozess auch durchlaufen. Es hat viel Zeit gebraucht – aber der Weg hat sich gelohnt. Und ich bin heute viel selbstbewusster und weiß sehr genau, was ich gut kann und wo meine beruflichen Leidenschaften sind.
    Liebe Grüße – Alexandra

    1. Liebe Alexandra,
      herzlichen Dank für Deinen nachdenklichen Kommentar. Spannend, dass Du diesen Weg auch gegangen bist. Ja, das dauert, aber lohnt sich. Ich freue mich für Dich, dass Du Deine beruflichen Leidenschaften heute genau kennst und auch lebst.
      Liebe Grüße
      Christine

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