Wer wärst Du, wenn Du die Wahl hättest? Welche Fähigkeiten hättest Du gern, welche Unternehmungen würdest Du anpacken, wenn es keine Begrenzungen gäbe? Wenn Geld, Angst oder Krankheit kein Thema mehr wären? Das fragt Susanna Belloni in ihrer Blog-Parade zum Thema „Erfinde Dich neu“.
Wie geht es Dir bei diesen Fragen? Ich kenne sie gut aus meinen Coachings. Spontan schießen mir drei Gedanken durch den Kopf, die sich nur scheinbar widersprechen:
* Ich habe immer die Wahl – Opfer zu sein oder Gestalter
* Statt Begrenzungen auszublenden, schaue ich sie mir lieber näher an
* Will ich mich mal wieder „neu erfinden“? Oder eher eine Weile so bleiben, wie ich gerade bin?
Du hast immer die Wahl
„Wer wärst Du, wenn Du die Wahl hättest“, passt nicht für mich. Denn ich weiß, dass ich die Wahl habe. Längst habe ich mich dafür entschieden, mein Leben selbstbestimmt zu gestalten. Das war und ist ein langer Weg. Unterwegs habe ich mich mehrmals „selbst erfunden“. Meist waren berufliche Umbrüche der Auslöser. Von der Physikerin zur Software-Ingenieurin und Teamleiterin bis zum Sinn-Coach für Lebenserfahrene. Von der eher scheuen pflichtorientierten Nachdenklichen zur Wagemutigen, der eigene Werte meist wichtiger sind als fremde Erwartungen. Dazwischen gab es lange Phasen, in denen ich mich eher langsam verändert habe. Ein völlig neuer Mensch bin ich übrigens nicht geworden. Wozu auch? Meine Kern-Identität habe ich immer behalten. Außerdem finde ich schön, aus vorangegangenen Etappen Erkenntnisse und neue Stärken mitzunehmen. Der eigene Persönlichkeitskern wird dabei immer klarer.
Auch Du hast die Wahl. Zunächst: Willst Du Dein Leben als „Opfer“ der Umstände verbringen oder willst Du es immer mehr selbst gestalten? Immerhin hast Du in nahezu jeder Situation verschiedene Möglichkeiten, zu denken und zu handeln. Auch wenn Du sie vielleicht heute noch nicht siehst. Wenn Du sie erkennst, kannst Du aus ihnen wählen.
„Tschakka – Du schaffst es“ oder Erfinde Dich neu mit Begrenzungen?
„Was würdest Du anpacken, wenn es keine Begrenzungen gäbe?“, fragt Susanna Belloni. Ich zweifle am Sinn der der Selbstoptimierungs-Welle ohne Begrenzungen, die aus den USA zu uns herüber geschwappt ist. Gurus wie Jürgen Höller oder Bodo Schäfer predigen ungehemmte Persönlichkeitsoptimierung. In Motivations-Massenveranstaltungen sollen sich die Teilnehmer aus passiven „Hühnern“ in dominante „Adler“ verwandeln. Hier wird vermittelt, alles sei machbar – permanenter Erfolg, Reichtum, Glück. Ein Leben auf der Überholspur. Vorausgesetzt, Du denkst hinreichend positiv und nutzt die „Erfolgsrezepte“ der Gurus. Tschakka, du schaffst es.
Mit dem fatalen Umkehrschluss – wer es nicht schafft, sich zu einem Adler sprich Gewinner zu machen, ist selbst schuld. Oft sind diese Events und entsprechende Ratgeber-Bücher nutzlos, manchmal sogar gefährlich. Wenn die vermittelten Allmachtsfantasien mit der Realität zusammenstoßen, keimt das Gefühl eigenen Versagens. Nicht gut für Deine Seele, oder?
Ja, Deine Träume und geheimen Wünsche solltest Du unbedingt ernst nehmen. Genauso wichtig ist jedoch, dass Du Deine Begrenzungen anschaust. Sind es reale Bedingungen wie eine chronische Krankheit? Oder erzeugst Du die Begrenzungen in Deinem Kopf selbst? Bestimmen Glaubenssätze wie „Das habe ich noch nie gekonnt“ oder „Ich bin zu alt dafür“ Dein Handeln? Diese subjektiven Hindernisse kannst Du überwinden – wenn Du willst. Allein oder mit Hilfe eines Freundes. Vielleicht auch mit professioneller Unterstützung durch einen Coach. Kennst Du das Gelassenheitsgebet von Reinhold Niebuhr? Ganz gleich, ob Du gläubig bist oder Atheist – dieser schöne Spruch bringt auf den Punkt, worauf es ankommt:
Gott, gib mir
die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Wie entscheidest Du Dich?
Es ist Deine Entscheidung, was Du für ein Mensch sein willst. Was Du täglich mit Deinem Leben anfängst – unter den Randbedingungen, unter denen Du gerade lebst. Was Du beibehalten und was Du ändern willst in Deinem Alltag und Deiner Persönlichkeit.
Also:
Bleib wie Du bist, wenn das gerade okay für Dich ist.
Erfinde Dich neu, wenn eine neue Lebensphase für Dich ansteht.
Schiebe Grenzen hinaus, doch akzeptiere freundlich Deine Gegenwart.
Welche Variante passt gerade in Deinem Leben? Ich freue mich, wenn Du Deine Gedanken und Erfahrungen in einem Kommentar teilst.
Liebe Christine, ich verfolge immer regelmäßig Deine Posts. Ich finde Deine Ansätze alle sehr interessant. Seit dem Beginn meiner chronischen Erkrankung: Brustkrebs mit Knochenmetastasen habe ich vieles in meinem Leben verändert. Ich bin aber lange noch nicht da angekommen, wo ich sein möchte. Ich blogge ja auch über meine Gefühle und Gedanken im Zusammenhang mit meiner Erkrankung. meinlebenmitbrustkrebs.blogspot.com. Das Austauschen mit anderen gefällt mir prima. LG Andrea
Liebe Andrea,
ich freue mich, dass du unseren Blog verfolgst. Als Bloggerin kennst du das sicher auch: Es tut gut, wenn sich jemand mit einem Kommentar zurückmeldet. Danke! Für dein Leben mit der Erkrankung wünsche ich dir viel Mut, Lebensfreude und gute BegleiterInnen. Großartig, dass du deine Gefühle und Gedanken in deinem Blog und sogar in einem Buch thematisierst!
Alles Liebe für dich
Christine
Hallo Tina,
dieser Blog passt ziemlich genau auf meine Ansichten. Aber Ansichten sind die eine Seite, mit derUmsetzung hadert es dann doch immer wieder.
Mit deinen Zeilen hast du mich bestärkt zurück zu kehren zu meinen Vorhaben und mich mit meinen Begrenzungen auseinander setzen.
Danke.
Hallo Hotti,
ich freue mich, dass wir auf einer Wellenlinie schwingen. Und du hast recht – der Knackpunkt ist oft die Umsetzung. Ganz viel Erfolg bei der Rückkehr zu deinen Vorhaben!
Hallo Christine,
danke für diesen aufschlussreichen Text. Tolle Worte und eine prima Unterstützung für Menschen auf der Suche. Ich kann vieles bestätigen, durch meine eigenen Veränderungen – persönlich, beruflich – und in meinen Coachings nehme ich genau dieses als Ansatz für mögliche und „gewünschte“ Veränderungen. Es bringt mir nichts nach den Allheilversprechen der großen Gurus zu trachten, denn das ist in meinen Augen nur monetäres Verhalten im Sinne der Gurus. Sie haben eine gute Geldquelle, die schnell und effizient ausgebeutet wird. Die Teilnehmenden bleiben mit den Seminar-„Erleuchtungen“ im Alltag allein bei der Umsetzung und fallen, wie du so schön beschrieben hast, in die Selbstzweiflerrolle. „Bin ich schuld, dass ich nicht erfolgreich bin?“ – Schädigend für die Teilnehmenden im Nachhinein. Ich habe zu dem Thema meine Perspektive gegeben und wenn du magst, kannst du hier http://blog.fuelboxworld.de/erfinde-dich-neu/ mal reinlesen. Freue mich über eine Rückmeldung und wünsche dir weiterhin gutes Gelingen in den anstehenden Projekten. Herzlichst, Thomas
Hallo Thomas,
vielen Dank für deinen Kommentar. Schön, dass Du bei deinen Coachings einen ähnlichen Ansatz verfolgst. Ja – es gibt genügend „Gurus“, die suchenden Menschen schnelle Veränderung nach „Kochrezept“ versprechen. Klappt so nicht und kann schädlich sein, klar. Danke für deine guten Wünsche. Deine Sicht des Themas auf deinem Blog schaue ich mir gern an.
Herzlichst, Christine
Ciao Christine!
Ich finde deine Zeilen sehr interessant zu lesen und habe dabei viele Parallelen zu mir selbst gefunden.
Angefangen vom Karriereweg der aus einer sehr kopflastigen Berufswelt ausbrechen lässt, um den Menschen, der daran zu zerbrechen droht, zu unterstützen.
Trotzdem würde ich in meiner Argumenatation viel mehr zwischen rechter und linker Gehirnhälfte unterscheiden. Da gibt es nämlich 2 Teile in uns, oder wie Goethe es Dr. Faust ausdrücken liess: „Oh – ach, zwei Seelen wohnen in meiner Brust“
Natürlich sind das keine zwei Seelen, sonder der Ratio versucht ständig sich vorzudrängen und macht ein Bild von sich als ob er die Seele wäre. So kommen wir dann durcheinander, wenn wir zu intellektuell werden und unsere Entscheidungen immer rational treffen wollen. Das Leben funktioniert aber anders.
Gelingt es uns diese beiden zu unterscheiden, also das rationale Selbstbild als Fake zu entlarven, dann erleben wir uns selbst wieder als Gestalter, denn wir sind die Architekten unseres Lebens. Dieses gefakte Selbstbild setzt Begrenzungen und glaubt an Schwächen, daran erkennt man es am besten. Könnte man es völlig eliminieren, dann gäbe es keine Grenzen, keine Begrenzungen unserer Möglichkeiten mehr. Und tief im Inneren wissen wir ja auch: „Alles ist möglich“
P.S.: Meiner Definition nach erfinden wir uns beinahe jeden Tag ein wenig neu, nämlich jedes mal wenn wir etwas Neues erleben …
Ciao Susanna!
Vielen Dank für Deinen Kommentar. Interessant, dass Du Parallelen zwischen uns beiden gefunden hast.
Ja, unser rationales Selbstbild haben wir selbst konstruiert. Deshalb können wir es auch neu konstruieren, uns neu erfinden. Und es stimmt – die Ratio bestimmt nicht allein unsere Möglichkeiten.Tiefere Persönlichkeitsschichten (Seele?) wissen, dass wir viel mehr Potenzial haben als wir ausleben. Träume und Sehnsüchte, zu denen wir uns (noch) nicht bekennen. Es ist so unglaublich viel mehr für uns möglich. Allerdings – „Alles ist möglich“? Das glaube ich dann doch nicht, sagt die Naturwissenschaftlerin in mir :-).
„Wir erfinden uns beinahe jeden Tag ein wenig neu, nämlich jedes mal wenn wir etwas Neues erleben …“, schreibst Du. Das gefällt mir!
Schöner Blog, liebe Christine.
Mir kommt da in den Sinn:
Perikles: ‚Das Geheimnis der Freiheit aber ist der Mut‘.
Herzlicher Gruss
Liebe Bea,
entschuldige bitte, dass meine Antwort auf Deinen Kommentar erst heute kommt. Damals hatte ich wohl den „Antworten“ button nicht richtig gedrückt oder den Browser geschlossen und bin dann in den Fahrradurlaub gefahren :-(.
Jedenfalls wollte ich Dir sagen, dass ich Dein Perikles-Zitat wunderschön finde. Vielen Dank dafür!