Menschen gehen auf dem Bürgersteig unter belaubten Straßenbäumen eine Einkaufsstraße entlang

Baumliebe: Unsere Stadt gemeinsam klimafest machen

Das kleine Mädchen auf der Besuchertribüne des Berliner Abgeordnetenhauses beugt sich vor, als ihre Mama zu sprechen beginnt. Ihre Mama ist Expertin für Klimaanpassung und eine der Vertrauenspersonen des BaumEntscheids, die an diesem grauen Oktobertag vom Hauptausschuss angehört werden.

In der Anhörung geht es um das BäumePlusGesetz – ein kraftvolles Klimaanpassungsgesetz, das die Volksinitiative BaumEntscheid Berlin 1 seit 2023 gemeinsam mit Juristen und Urbanistikerinnen erarbeitet hat.

Bis 2040 soll die Anzahl der gesunden Stadtbäume auf 1 Million steigen. Dafür werden 400.000 Stadtbäume neu gepflanzt und der Bestand besser gepflegt. Außerdem werden Miniparks und Kühlinseln im Nahbereich angelegt sowie Fassaden begrünt.

Auch das Regenwasser-Management wird ausgebaut (beispielsweise durch Versickerungsmulden und Wasserspeicher), damit kostbares Regenwasser den Durst des Stadtgrüns besser stillt.

Diese blau-grüne Infrastruktur soll zunächst vorrangig in Hitzevierteln ausgebaut werden, anschließend in der gesamten Stadt. Das Ziel: Berlin auch im Klimawandel lebenswert erhalten. Wird das BäumePlusGesetz umgesetzt, können wir den zunehmenden Hitzewellen und Starkregen besser widerstehen.

Wie es heute aussieht

Bäume sind der beste natürliche Hitzeschutz. Und ja – Berlin wirkt auf dem Satellitenbild noch recht grün. Doch Jahr für Jahr werden mehr Stadtbäume gefällt als neu gepflanzt. Zwar tun die Beschäftigten der Grünflächenämter, was sie können, allerdings bremst sie ihr geringes Budget.

Heiße Tage belasten die Bewohnerinnen und Bewohnern von Hitzevierteln besonders, weil sich diese Viertel mehr als andere aufheizen. Der Grund: dichte Bebauung, starke Versiegelung, wenig Stadtgrün. Oft kämpfen die Menschen in diesen Vierteln auch noch mit weiteren Problemen wie Lärm, Luftverschmutzung und geringem sozialen Status. Im Umweltgerechtigkeitsatlas sieht man, welche Viertel Berlins besonders betroffen sind.2

Wusstest du, dass sich die Anzahl der heißen Tage in der Hauptstadt in den letzten Jahrzehnten mehr als verdoppelt hat?

1971-2000 erlebten wir in dicht bebauten Siedlungsräumen der Hauptstadt nur 8 – 11 Tage mit Maximaltemperaturen ab 30 °C („Hitzetage“). Heute wiederum gibt es dort jährlich schon rund 21 Hitzetage (Jahre 2018–2024).

Länger andauernde Hitze gefährdet vor allem Ältere, kleine Kinder, Kranke und Schwangere. Doch sie belastet auch junge, gesunde und kräftige Menschen und senkt ihre Produktivität. Ein Tag mit Maximaltemperaturen über 32 Grad senkt die Wirtschaftsleistung wie ein halber Streiktag, schätzt die Versicherungsbranche.3

Während in Hitzephasen Menschen und Stadtgrün unter Hitze und Trockenheit leiden, flutet an anderen Tagen Starkregen die Kanalisation und Keller und fließt ungenutzt in die Flüsse. Wertvolles Wasser, das dem Grundwasser und dem Stadtgrün fehlt.

Und mehr noch: Was wir heute an Folgen des Klimawandels spüren, ist erst der Anfang.

Dennoch stand Klimaanpassung bisher nicht auf der Agenda der Berliner Landespolitik. Das ändert sich jetzt mit atemberaubender Geschwindigkeit, weil eine überparteiliche Initiative der Zivilgesellschaft die Baumliebe vieler Menschen und das Know-how von Baum- und Wasserexpertinnen, Juristen und Stadtentwicklern in ein Gesetz goss. Und freundlich, aber nachdrücklich, mit vielen Gesprächen, kreativen Ideen und Aktionen dranbleibt.

Symbol der Initiative ist ein starker Baum.

Wenn ein Baum lange Zeit lebt

Viele Menschen mögen Bäume – einfach, weil sie uns gut tun.

Manchmal lege ich die Hände an den rauen Stamm einer alten Eiche, schließe die Augen und höre zu, wie ihre Blätter wispern, rascheln, rauschen. Dann werde ich innerlich ganz ruhig.

Und wenn ich darüber nachdenke, was Bäume für uns leisten, bin ich dankbar:

  • An heißen Tagen kühlen sie unsere Umgebung durch Schatten und Verdunstungskühle. So wirken sie dem Hitzeinsel-Effekt der Großstadt entgegen und schützen unsere Gesundheit.4
    Unfassbar: Ausgewachsene Straßenbäume können ihre Umgebung um bis zu 8 – 12 Grad abkühlen.5
  • Bäume säubern unsere Atemluft von Schadstoffen.
  • Sie binden das Treibhausgas CO2 und produzieren den für uns lebenswichtigen Sauerstoff.
  • Bäume tragen dazu bei, den Wasserhaushalt zu stabilisieren.
  • Sie bieten Insekten und Vögeln Lebensraum.
  • Sie wirken ausgleichend und entspannend und stärken unsere psychische Gesundheit.6

Allerdings braucht ein neu gepflanzter Jungbaum Jahrzehnte, bis er an die „Ökodienstleistungen“ eines ausgewachsenen, gesunden Baumes herankommt. Deshalb ist es so wichtig, von Baumliebe nicht nur zu reden, sondern beherzt zu handeln. Alte Bäume nach Möglichkeit zu pflegen statt zu fällen. Neue Bäume zu pflanzen – nicht irgendwann in der Zukunft, sondern schnell.

Wenn viele sich verbünden

Als im Sommer 2023 Genica Schäfer und Heinrich Strößenreuther mit ein paar Engagierten die Initiative Baumentscheid gründeten, litt die Stadt erneut unter starker Hitze. Ein Weckruf – auch in Hinsicht auf den städtischen Grünbestand. Denn ein Großteil der Berliner Stadtbäume, die uns an heißen Tagen schützen könnten, steht selbst unter Druck: Trockenheit, Hitze, starke Versiegelung und Umweltbelastungen setzen ihnen massiv zu.7

Hinzu kommt: Seit mindestens einem Jahrzehnt werden in Berlin Jahr für Jahr mehr Bäume gefällt als neu gepflanzt – ein Trend, den die Initiative umkehren will will. Denn Bäume sind nicht nur schön, sie sind hochwirksame natürliche Klimaanlagen: Sie spenden Schatten, kühlen Straßen, filtern Schadstoffe und speichern Wasser.

Mehr als 150 Ehrenamtliche und Fachleute engagieren sich inzwischen im BaumEntscheid. Sie analysieren Erfahrungen anderer Städte, organisieren Aktionen, sprechen mit Politik und Verwaltung und werben um Unterstützung. Außerdem unterstützen 80 mitgliederstarke Bündnispartner-Organisationen den BaumEntscheid – vom Arbeiter-Samariter-Bund über die Diakonie bis zur Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt. Und mehr noch: Laut Umfragen befürworten mehr als 80 % aller Menschen mehr Bäume und Stadtgrün – und das quer durch alle Parteivorlieben.8

Nach zwei Jahren engagierter Arbeit des BaumEntscheids und einer ersten Unterschriftensammlung, die in kurzer Zeit mehr als 30.000 Stimmen erbrachte, haben auch die Landespolitiker ihre Baumliebe entdeckt. So vermeiden sie den für September 2026 geplanten aussichtsreichen Volksentscheid zum BäumePlusGesetz. Auch wenn der Senat zunächst die Ablehnung des BäumePlusGesetzes empfahl, wurde es im September 2025 in das Abgeordnetenhaus eingebracht. Nach mehrwöchigen Verhandlungen zwischen BaumEntscheid und Koalitionsfraktionen liegt nun ein abgestimmter, leicht veränderter Entwurf für das Berliner Klimaanpassungsgesetz auf dem Tisch.

Am 3. November 2025 entscheidet das Abgeordnetenhaus – über ein Gesetz, das weit über das Pflanzen und Pflegen von Bäumen hinausgeht. Es geht um eine wetterfeste Stadt, in der alle Berlinerinnen und Berliner gut leben können. Vielleicht sitzt das kleine Mädchen mit ihrem Papa wieder auf der Besuchertribüne, wenn auch über ihre Zukunft entschieden wird.

P.S.: Magst du Bäume? Vielleicht hast du Lust, die Debatte und Entscheidung im Abgeordnetenhaus am 3.11.2025 ab 12:00 live zu verfolgen – direkt von der Besuchertribüne im AGH aus 9 oder im Videostream 10

Quellen

  1. Baumentscheid Berlin https://baumentscheid.de ↩︎
  2. Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt: Umweltgerechtigkeitsatlas. https://www.berlin.de/sen/uvk/umwelt/nachhaltigkeit/umweltgerechtigkeit/umweltgerechtigkeitsatlas/ ↩︎
  3. Jones, D., 2023. MAKRO TALK/Allianz : Hitzewelle kostet 0,6 Prozentpunkte BIP-Wachstum | MarketScreener Deutschland
    https://de.marketscreener.com/kurs/aktie/ALLIANZ-SE-436843/news/MAKRO-TALK-Allianz-Hitzewelle-kostet-0-6-Prozentpunkte-BIP-Wachstum-44523397/ ↩︎
  4. Europäische Umweltagentur (EEA): Increasing tree coverage to 30 % in European cities could reduce deaths linked to urban heat island effect, 2023 ↩︎
  5. Pace, R., De Fino, F., Rahman, M.A., Pauleit, S., Nowak, D.J., Grote, R., 2021. A single tree model to consistently simulate cooling, shading, and pollution uptake of urban trees. Int J Biometeorol 65, 277–289. https://doi.org/10.1007/s00484-020-02030-8 ↩︎
  6. Zahlreiche Studien belegen, dass Bäume bzw. stadtnahes Grün die Gesundheit fördern können. Zum Beispiel wies ein Forschungsteam in Deutschland mit rund 10.000 Teilnehmenden der „LIFE-Adult“-Studie in Leipzig nach, dass eine höhere Dichte von Straßenbäumen im Umkreis von 100 m zur Wohnung mit einer signifikant verminderten Wahrscheinlichkeit verbunden war, Antidepressiva verschrieben zu bekommen, insbesondere in sozioökonomisch benachteiligten Gruppen.
    Marselle, M.R., Bowler, D.E., Watzema, J. et al. Urban street tree biodiversity and antidepressant prescriptions. Sci Rep 10, 22445 (2020). https://doi.org/10.1038/s41598-020-79924-5 ↩︎
  7. Umweltbundesamt: Hitze in Städten – Belastungen und Anpassungsstrategien, 2023. ↩︎
  8. Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt: Umweltbewusstsein in Deutschland 2022 – 82 % der Befragten wünschen sich mehr Grünflächen in Städten (repräsentative Befragung, Kantar 2022). ↩︎
  9. Anmeldung für die Besuchertribüne des Abgeordnetenhauses: https://www.parlament-berlin.de/termine/ticket-reservation/plenum/5593 (Sitzungs-Nr. 73, 03.11.2025 12:00-14:00) ↩︎
  10. https://www.parlament-berlin.de/mediathek/parlament-live/livestream-plenum ↩︎

Christine Radomsky

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Lebenslang neugierig auf Menschen und die Wunder unserer Erde. Früher war ich Physikerin, Softwareingenieurin und Coach. Heute setze ich mich gemeinsam mit vielen anderen für Klimaschutz, Klimaanpassung und Demokratie ein. Damit mein Enkel und seine ungeborenen Kinder auch in 10, 20 Jahren gesunde Bäume und Städte erleben. #Baumentscheid

1 Comment

  1. Alex7. November 2025

    Für dieses Vorhaben braucht Berlin viel Geld, wie auch an den anderen maroden Stellen dieser Stadt. Doch das sind Mittel, die nicht konsumiert, sondern in das Überleben der Stadtgesellschaft investiert werden, investiert für Menschenleben (2023 kamen in der Stadt doppelt so viele Menschen durch Hitze ums Leben wie durch Verkehrsunfälle). Diese Mittel kommen allen zugute.
    Ich sehe schon die Verteilungskämpfe kommen: Hier „nur“ ein paar Bäume, dort die maroden Schulen und Brücken. Diese Rechnung dürfen wir nicht zulassen – hier darf es kein Gegeneinander geben. Nicht entweder – oder, sondern sowohl – als auch. Das zu schaffen ist jetzt die Aufgabe unserer Politiker und der Verwaltung.

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