
Das Alte und das Neue
Wenn Du ein Buch – das Dich wirklich interessiert – gleichzeitig in Papierform und als E-Book vorliegen hast: Welche Ausgabe liest Du? Und warum? Hängt es vom Genre ab?
Vor einem Jahr schenkte mir mein Mann einen Kindle. Seitdem schmökere ich bevorzugt in E-Books. Warum? Unser Bücherregal ist bereits übervoll. Sachbücher sind oft kurzlebig, andere Bücher lese ich oft nur ein einziges Mal. Bücher, die ich liebe, habe ich jedoch immer noch gern in Papierform. Ein Buch durchzublättern, bleibt ein sinnliches Erlebnis.
Welche Dinge technischer Art, die in den letzten 20 Jahren neu in Dein Leben getreten sind, willst Du nie mehr missen?
Laptop, Smartphone, GPS-Navigator.
Welche Dinge, die es in eurer Jugend gab, aber heute nicht mehr, wünschst Du Dir dringend zurück?
Ich würde gern ab und zu einen richtigen Brief bekommen. Nicht vom Finanzamt, sondern von einem lieben Menschen. Das fühlt sich doch ganz anders an als eine Email oder WhatsApp-Nachricht, oder?
Wie ist das mit der Kommunikation zwischen jüngeren und älteren Menschen – wo funktioniert sie in Deinem Leben, wo weniger gut? Was hat sich verändert – und wie?
Wie ich mit anderen kommuniziere, hat sich seit meiner Coaching-Ausbildung 2010 deutlich verändert. Ich höre jetzt besser zu. Außerdem habe ich gelernt, mich entspannter mit Menschen zu verständigen, die nicht meiner Meinung sind. Die vielleicht gerade gestresst oder wütend sind.
Wie das geht? Ich suche stärker danach, was ich selbst und der Streitpartner im Moment gerade fühlen und brauchen. Dann lassen sich mehr Gemeinsamkeiten entdecken, als ich früher vermutet habe. Ein Aha-Erlebnis? Rosenbergs Gewaltfreie Kommunikation.
Damit Kommunikation funktioniert, brauchen wir vor allem aufrichtiges Interesse und Wertschätzung für den anderen. Alter – wie auch Bildung und Herkunft – werden dann zweitrangig.
Früher glaubte ich oft zu wissen, was für andere Menschen gut wäre. Heute habe ich mehr Respekt vor der subjektiven Wirklichkeit eines jeden.
Der Buchmarkt kennt Kinder- und Jugend-, Frauen- und Unterhaltungsliteratur. Und noch viele andre Sparten. „Seniorenliteratur“ kommt allerdings nirgends vor. Ein Versäumnis? Oder eine ganz blöde Idee?
Oho – willst Du herausfinden, ob sich hier eine Marktlücke auftut, Maria? Was wäre denn das Leitmotiv einer solchen Literatur?
Menschen unterscheiden sich stark in ihren Interessen. Mit zunehmendem Alter öffnet sich die Schere noch weiter. Es gibt 20-Jährige, die sich vor allem für Reality-TV interessieren. Wie auch 70-Jährige, die eine Fremdsprache lernen oder sich für Benachteiligte einsetzen. Im Übrigen: Ich suche auch keine “Frauenromane”, wenn ich einen Buchwunsch frei habe.
„Alte Besen kehren gut“… Auf welche Bereiche Deines Lebens trifft das zu? Oder bist Du eher der Ansicht, dass man sich alle paar Jahre komplett ändert – und dann jeweils „neue Besen“ dafür, sprich: einen neuen Blick auf die Dinge und sich selbst braucht?
Alte Besen kehren gut? Am Älterwerden gefällt mir, dass ich gelassener und souveräner werde. Heute gelingt mir besser als mit dreißig oder vierzig, nach eigenen Werten zu leben. Mich auf das zu besinnen, was wesentlich ist in meinem Leben. Die Erwartungen anderer an mich bedeuten mir nicht mehr so viel. Diese Einstellung möchte ich gern beibehalten.
Neue Besen kehren gut? Ein frischer Blick auf uns selbst und die Dinge steht doch nicht erst aller paar Jahre an! Immer, wenn wir uns etwas Fremdem, Unvertrautem aussetzen, können wir unsere Vorannahmen hinterfragen. Ich mag es, mich mit anderen Menschen auzustauschen. Auch die Zusammenarbeit mit meinen Coaching-Klienten und Trainings-Teilnehmern hilft mir, Dinge neu zu sehen.
Gibt es ein Thema, für das Du Dich ungebrochen Dein ganzes Leben lang interessierst? Wenn ja, würde ich gern wissen, welches Thema das ist. Und warum?
Ja! Mich begeistern lebenslanges Lernen und lebenslange Persönlichkeitsentwicklung.
Mit zwanzig öffnete sich mir die spannende Welt der Physik, mit dreißig habe ich mich erstmals für Psychologie interessiert, mit fünfunddreißig bin ich in Informatik und Teamleitung eingestiegen. Mit Ende fünfzig habe ich eine Coaching-Ausbildung abgeschlossen. Heute lerne ich ständig Neues zu Neurowissenschaften, Positiver Psychologie, Social Media und digitalen Lerntechnologien.
Meine Arbeit als Coach passt zu diesem Lebensthema.
Ich begleite vor allem lebenserfahrene Menschen, die sich verändern wollen oder müssen und neuen Sinn suchen. Sei es ein später Karrierewechsel oder auch der Übergang in den (Un)Ruhestand.
Neuro- und Biowissenschaftler haben entdeckt, dass Gehirn und Körper unglaublich plastisch sind. Auch in höheren Jahren. Wie Du Dein Gehirn nutzt, so entwickelt es sich.
In unserer Gesellschaft dominiert jedoch immer noch der Defizit-Blick auf das Alter. Ich bin dafür, dass wir unseren Potenzial-Blick schärfen. Auch mit fünfzig oder neunzig lässt sich neuer Sinn im Leben finden (ein Mindestmaß an Gesundheit vorausgesetzt). Wir alle tragen mehr Potenzial in uns, als wir nutzen – ein ungehobener Schatz.
Gibt es so etwas wie „alte“ und „neue“ Arbeitswelten? Wenn ja: Woran machst Du das fest? Was sind die wichtigsten Parameter dafür?
Ja, wir leben mitten im Umbruch. Vielleicht schreibe ich irgendwann einen Blog-Artikel nur zu diesem spannenden Thema. Hier ein paar Stichpunkte:
Alte Arbeitswelt: Starre Hierarchien. Kaum Selbst- und Mitbestimmung der Mitarbeiter. Macht der – vorwiegend männlichen – Manager und Controller. Anwesenheitskultur, starre Rollen und Prozesse, Technologie-Gläubigkeit, Statusdenken und Konkurrenz. Überstunden „beweisen“ Engagement. Der feste Arbeitsplatz ist immer noch das Ideal.
Neue Arbeitswelt: Selbstorganisierende Netzwerke statt Hierarchien. Die Digitalisierung macht das selbstbestimmte lebenslange Lernen der Mitarbeiter immer wichtiger.
Wer in der neuen Arbeitswelt gute Chancen haben will, lernt neben Fachkompetenzen wie Informatik vor allem die „vier K“, die Schlüsselkompetenzen des 21. Jahrhunderts:
- Kommunikation
- Kooperation
- Kritisches Denken
- Kreativität
Selbstführung der Mitarbeiter, die Sinn in ihrer Arbeit suchen und finden. Wertschätzende Führung auf Augenhöhe. Wo noch Führungskräfte benötigt werden, ändert sich ihre Rolle: Sie ermöglichen, moderieren und unterstützen statt zu dirigieren und kontrollieren. Prozesse werden agil.
Interkulturelle Teams aus digitalen Heimarbeitern und „digitalen Nomaden“, die über das Internet flexibel kooperieren, werden zur Regel. Ebenso der vernetzte Solopreneur. Alles, was automatisierbar ist, übernimmt Kollege Roboter. Drastische Steigerung der Arbeitsproduktivität.
Die Digitalisierung der Arbeitswelt wird die Gesellschaft radikal verändern. Meine Hoffnung: Verkürzung der Arbeitszeit und Neubewertung von Arbeit außerhalb der bezahlten Erwerbstätigkeit. Familienarbeit und Ehrenamt werden hoffentlich eines Tages der Erwerbstätigkeit gleichgestellt.
Vielfalt als Kreativitätsquelle. Gleiche Chancen für alle unabhängig von Geschlecht, Alter und Herkunft.
In Ansätzen gibt es die neue Arbeitswelt heute schon in einigen Firmen. Die große Transformation steht jedoch noch bevor. Ich finde das faszinierend.
Hast Du mit „50plus“ noch Dinge ganz neu entdeckt, bzw. gelernt? Welche sind das? Und „stürzt“ Du Dich dann mit dem gleichen Eifer wie vielleicht mit 20 darauf – oder gehst Du heute anders damit um als Du das früher getan hättest?
Mit 50plus neu entdeckt? Jede Menge. Fünf Dinge fallen mir spontan ein.
- Mein erster Berlin-Marathon mit 55 Jahren
- Spanisch gelernt und auf Kuba ausprobiert
- Coaching erlernt und Freude daran gefunden, andere Menschen in Umbrüchen zu begleiten
- Die Welt des freien Online-Lernens bei edX und Coursera entdeckt
- Nach einer Weiterbildung zum „Virtual Teacher“ gemeinsam mit meinem Mann unseren ersten Online-Kurs auf die Beine gestellt (2015 zum Thema „Selbstführung“)
Noch immer lerne ich mit Begeisterung, bin jedoch wählerischer als früher. Als ich vor vielen Jahren Physik studierte, hatten wir lediglich Lehrbücher, Vorlesungsskripte und Bücher mit Übungen. Die habe ich verschlungen.
Durch das Internet ist das Wissensangebot explodiert. Nun versuche ich, die Rosinen herauszupicken, die mich weiterbringen. Dazu frage ich mich bewusster als früher: Was genau will ich lernen und wofür? Wer sind die Experten, wie kann ich von ihnen lernen und mich mit einigen von ihnen vernetzen? Was von meinem Know-how kann ich selbst teilen, z.B. auf unserem Blog?
Wie seht es aus mit Traum-Urlaubszielen? Greifst Du da auf Alt-Bewährtes zurück („da weiß man, was man hat!“) oder denkst eher: „Die Zeit wird langsam knapp – ich will noch so viel Neues entdecken!“ Und wie verhältst Du Dich diesen Gedanken gegenüber?
Ich liebe Neues! Nächstes Jahr wollen mein Mann und ich mit Freunden nach Chile und Peru. Von Maccu Picchu träume ich schon lange. Auch Israel, Kanada und das Baltikum gehören zu meinen Reiseträumen.
Dabei mache ich mir jedoch keinen Stress – wozu auch? Kennst Du das Buch „1000 Places to see before you die“? Eine solche Liste finde ich für mich zu anstrengend.
Seit 2010 bin ich ehrenamtliche Wahlbeobachterin der OSCE. Ein oder zwei Mal im Jahr beobachten wir Wahlen in Ländern, die eher keine typischen Urlaubsziele sind, und arbeiten mit Einheimischen zusammen. In diesem Jahr war ich in Georgien.
Die ganze Welt kannst Du ohnehin nicht sehen – egal, wie früh Du mit Globetrotten anfängst. Lieber weniger reisen, aber genau hinschauen und reinfühlen. Mit den Menschen in Kontakt kommen.
Oder mit dem Rad unterwegs sein und die Natur genießen. Unweit von Berlin liegen tolle Fahrradwege. Falls Du auch gern radelst – der Europa-Radweg R1 von Calais nach St. Petersburg führt fast an unserem Haus vorbei. Dann komm vorbei und lass uns einen Kaffee trinken, Maria.
Lieber Blog-Leser, dieser Artikel war in eigener Sache. Im nächsten geht es wieder mehr um Dich. Vielen Dank noch einmal an Maria Al-Mana für die Nominierung zu ihrem Award.
Und nun wäre ich an der Reihe, meine Lieblings-Blogger zum Award zu nominieren und mit elf Fragen zu schocken. Da es aufs Jahresende zugeht, an dem Coaches und Blogger oft unter Druck sind, beschränke ich mich auf drei Fragen. Ich freue mich auf Antworten mit einer mehr oder weniger ausführlichen Begründung.
1. Welches Zitat oder Sprichwort spricht Dir im Augenblick aus dem Herzen?
2. Welches Buch oder welcher Film hat Dich in letzter Zeit besonders bewegt? Was hast Du für Dich mitgenommen?
3. Wer hat Dich im letzten Jahr ganz besonders unterstützt oder inspiriert? Wie hat er oder sie das getan? Was war daran für Dich so wichtig?
Außerdem lasse ich die Nominierung aus. Wer möchte, ist jedoch herzlich eingeladen, sich zu beteiligen.
Lieber Blog-Leser, vielleicht magst auch Du uns kurz verraten, was Dir zu einer dieser Fragen einfällt? Dann schreibe bitte unten auf der Seite einen Kommentar. Vielen Dank!
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Liebe Christine,
ich fühle mich beschenkt – danke! Denn man mag von dem Format „Liebster Award“ halten, was man will, deine Antworten sind klug, durchdacht und voll freundlicher Empathie. Das fühlt sich einfach nur gut an! Und deinen Anstoß, noch weiter über neue und alte Arbeitswelten nachzudenken, nehme ich auf, behalte ihn im Kopf – und komme mit Sicherheit noch einmal darauf zurück.
Dafür – wie für all die andren Gedanken und Anstöße – ganz herzlichen Dank!
Lieben Gruß
Maria
Liebe Maria,
wie schön! Deine klugen und präzisen Fragen haben mich zum Nachdenken angeregt – vielen Dank noch einmal dafür! Ich freue mich, wenn wir in Kontakt bleiben.
Lieben Gruß
Christine